Das Veronika-Tuch in West und Ost

Das Veronika-Tuch

Im 13. Jahrhundert zeigte sich zum ersten Mal das Veronikatuch. Verbreitung fand es besonders im Rahmen der Kreuzzüge als das “Vera-Icon”. Das Veronika-Tuch ist eine Ikone, auf der die Heilige Veronika ein ausgebreitetes Tuch mit dem Antlitz Christi zeigt. Es handelt sich hierbei um das im Westen wohl bekannteste Tuch, doch es gibt derer noch einige mehr.

 Im östlichen Reich ist der Herkunftsort des Tuches (Mandylion, Schweißtuch) bereits zu Zeiten Christi mit der König Abgar-Legende aus Edessa, Syrien verbunden. Auf Ikonen abgebildet, zählen diese Ikonen zu den Wunderikonen mit heilkräftiger Wirkung. Diese Wunder tätige Ikonen wurden und werden hoch verehrt.

 

 

rechts:
Buchmalerei, 12.-Anfang 14. Jhd.
Urbild Größe: 5,5 x 8.,5 cm,
Madrid, Nationalbibliothek

König Abgar empfängt das Christus-Tuch in Edessa

Malerei: Kirsten Voß
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Zu Jesu Zeiten ging es dem aramäischen König Abgar V. (Ukhama, der Schwarze) von Edessa (heute: Makedonien/Türkei) derart schlecht, dass er nach Jesus rufen ließ. Dieser befand sich jedoch weit entfernt und hatte zudem keine Zeit, persönlich zu erscheinen. Daher sandte Christus einen Boten zum König mit einem Tuch, welches er sich zuvor auf sein Gesicht gelegt hatte. So gelangte das Antlitz Christi auf das Tuch, das fortan so genannte Edessa-Tuch. Es wird den König geheilt haben, denn sonst wäre diese Geschichte ja in der Versenkung verschwunden. Daher wird dem Christus-Tuch eine heilkräftige Wirkung zugesprochen, nach der Auffassung, die Kraft des Urbildes (hier das Tuch) gehe auf die Abbilder über. So haben auch die Ikonen mit der Darstellung

Ikone Kirsten Voß - Hamburglinks: zeitgenössische Abbildung des Edessa-Tuches aus Griechenland. Diesem Tuches wird eine heilende, weil reinigende Wirkung zugesprochen. Damit zählen Abbildungen dieser Ikonen zu den Wundertätigen Ikonen.

Das Tuch von Edessa verschwand laut dem Historiker Niaphoris im Jahre 359. Es soll in die Stadtmauer von Edessa eingemauert worden ein, um die Stadt vor Feinden und Naturkatastrophen zu schützen. Später geriet der Ort in Vergessenheit. Im 6. Jahrhundert wurde es jedoch in einem Hohlraum der Mauer von den Bewohnern der Stadt wieder aufgefunden. Seit dem 6. Jahrhundert ist eine auffällige Gleichheit in der Abbildung des Antlitzes Christi festzustellen. Heutige Historiker sehen Ähnlichkeiten auch zum Abdruck Christi auf dem Turiner Grabtuch.

Es gibt noch ein weiteres Acheiropoieton, also das “nicht von Hand gemachte Bild”: das Antlitz Christi auf einem Dachziegel (griechisch: Keramidi). Seine Herkunft ist zurückzuführen auf das Abgar-Tuch aus Edessa, welches auf einem Ziegel zu liegen kam und sein Konterfei auf dem gebrannten Ziegel zurück gelassen hat. Dieser gebrannte Ziegel wurde als heilig verehrt und findet seither auch auf Ikonen seine Verbreitung.

Erst im 15. Jahrhundert wird das Antlitz Christi auf dem Tuch im Westen mit einer Dornenkrone abgebildet. Die Dornenkrone verstärkt jetzt den neuen Bezug des Tuches zum Leidensweg Christi, mit dem es ursprünglich eher nicht zu tun hatte. Die Ostkirche blieb darum auch bei der historisch älteren Fassung und zeigt eh wie je auf dem Schweißtuch den Kopf Christi ohne Dornen.

Ein weiteres Tuch Christi - vielleicht sogar das älteste nach der Abar-Legende - entstand unter der Herrschaft von Justinian im 6. Jahrhundert um 560. Das so genannte “Pontische Bild” in der Nähe von Kappadokien ist besser bekannt unter dem Bild von Kamuliana (ein Dorf in der Gegend). Die blinde Heidin Hypatia findet in einer Wasserquelle ein auf Leinwand gemaltes Bild Christi, welches sie sofort erkennt - und damit von ihrer Blindheit geheilt ist. Sie drückt die gefundene Leinwand an ihren Körper, wo es - bereits getrocknet - auf ihrem Gewand einen Abdruck hinterlässt, das zweite Bild war entstanden. Dieses Wunder sollte sich ein weiteres Mal wiederholen, weshalb wir nun drei dieser vom Urbild abstammenden Bilder haben. Es gibt, das sei hier noch erwähnt, ähnliche Entstehungsgeschichten zu diesem speziellen Tuch, die sich aber nicht wesentlich voneinander unterscheiden. 574 wurde das Bild von Kamuliana von Justin II. nach Konstantinopel als Schutzpalladium gegen die Ostfeine (Perserkriege) überführt. Es folgen weitere Legenden und Überlieferungen. Allen gemeinsam ist, dass der starke, christliche Glaube sich auf etwas Sichtbares - dieses Palladium - konzentrieren konnte und die Heere sich dadurch gestärkt und geschützt fühlten. In gewisser Weise verstärkte das Bild auf diese Weise den Glauben an die eigenen Kräfte, oder um es schöner auszudrücken: die Betrachtung wundertätiger Bilder verstärkte den göttlichen Funken im Menschen.

Vergessen wir nicht: Christus ist in persönlicher Weise durch die Abbildung anwesend - die Kraft des Urbildes (Christus) geht in das Abbild (Ikone) über (Aussage von Kirchenvater Vassilius).

Eine in Ost.- und Westkirche gleichermaßen übernommene Variation ist das von Engeln getragene und dem Betrachter dargebotene Tuch.

Anmerkung: Die hier gezeigten Abbildungen zeigen KEINE Ikonen aus dem 13. Jahrhundert, sondern bilden Variationen aus verschiedenen Jahrhunderten zu dem gleichen Thema ab und stellt eine Betrachtung von unterschiedlichen Abweichungen dar.

 

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